Entstehung einer soziokulturellen Prägung
Blinde Flecken
Wie entsteht eine soziokulturelle Prägung?
Es gibt die Gruppe der Mächtigen und die der Unterlegenen
- Ein Mitglied aus der Gruppe der Mächtigen fängt damit an, etwas zu tun, das seinem Eigeninteresse dient, auch wenn es Mitgliedern der Gruppe der Schwächeren schadet.
- Der Schaden wird empathisch durch den Mächtigen wahrgenommen. Er entscheidet sich aus moralischen Gründen, das Verhalten abzustellen. Dann gibt es 3 Möglichkeiten:
- Der Schaden wird gar nicht registriert, das Verhalten wird daher fortgesetzt.
- Der Schaden wird registriert, aber der Nutzen für Mächtigen wiegt in dessen Augen mehr als der Schaden aufseiten des Schwächeren.
- Andere Mitglieder aus der Gruppe der Mächtigen erfahren von dem Verhalten des „Pioniers” und machen es ihm nach – ebenfalls mit den Optionen a-c.
- Das Verhalten spricht sich herum, macht Schule unter den Mächtigen.
- Da es immer die Gruppe der Mächtigen ist, welche die Gesetze und Regeln definiert (oder kennst du andere Beispiele?), erklärt sie das Verhalten offiziell als rechtens.
- Das Verhalten verfestigt sich innerhalb der Gruppe der Mächtigen. Es wird allgemeiner Konsens. Neue Mitglieder wachsen mit dieser Prägung auf, begreifen sie als Selbstverständlichkeit.
- Von Generation zu Generation wird das Verhalten in der Gruppe der Mächtigen weitergegeben. Dadurch gewinnt es in der Wahrnehmung ihrer Mitglieder weitere Berechtigung. Man greift schließlich auf eine lange Tradition zurück. ("Es war ja schon immer so.")
An dieser Stelle hat die Gruppe der Schwächeren nur zwei Chancen, um diesen Kreislauf zu durchbrechen und nicht in alle Ewigkeit unterdrückt zu werden:
- Ihre Mitglieder schaffen es, sich zu verbünden und sich gemeinsam gegen die Mächtigen aufzulehnen (Aufstand, Demonstrationen) bis es schließlich zum Eigeninteresse der Mächtigen wird, das Verhalten abzustellen, oder sie die Einsicht gewinnen, dass es falsch war
- Eine noch mächtigere Instanz interveniert und hindert die Mächtigen am Weitermachen
- Die Gruppe der Mächtigen entwickelt ein Unrechtsbewusstsein und erkennt, dass ihr Verhalten falsch ist
Anders formuliert: Wenn die Gruppe der Schwachen keinerlei Chance hat, gegen die Mächtigen anzukämpfen, weil sie unterlegen ist (intellektuell, physisch etc.) und auch keine Unterstützung von „höherer Stelle” zu erwarten ist, sind die Schwachen auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass sich Ethik und Einsicht bei den Mächtigen einstellen. Andernfalls nimmt ihr Leid nie ein Ende.
Die Eigeninteressen einer Gesellschaft korrumpieren deren Werte
Wenn es das Interesse einer mächtigen männlichen Gesellschaft ist, Frauen zu unterdrücken …
Wenn es im Interesse einer mächtigen weißen Gesellschaft ist, Schwarze zu versklaven …
Wenn es das Interesse einer mächtigen menschlichen Gesellschaft ist, Tiere zu benutzen …
… wird der Schweinehund dieser Gesellschaft Gründe suchen (und am Ende finden), die für ihn triftiger sind als eventuelle ethische Bedenken.
Neue Mitglieder der Gesellschaft übernehmen deren Werte. Das kleine Kind lernt von seinen Eltern, die von ihren Eltern gelernt haben, etc. Da andere Mitglieder innerhalb der Gesellschaft sich weitestgehend gleich verhalten, gibt es kaum Anlass, diese Normen und Werte zu hinterfragen. Alle betrachten die Welt durch ihre soziokulturelle Brille und begreifen ihr Verhalten als normal und richtig.
Aber was ist richtig und was falsch?