Anthropozentrisches Weltbild
Das selbstverständliche Selbstverständnis des Menschen
Ein Teil unserer soziokulturellen Prägung ist das selbstverständliche Bild von uns als die höchsten Wesen dieses Planeten.
Da wir, die Mächtigen, allesamt zur Gesellschaft der Menschen gehören, ist dieses Selbstverständnis über alle menschlichen Kulturen hinweg der verbindende, gemeinsame Nenner.
Egal, wie unterschiedlich unsere Kulturen sein mögen und welche Werte innerhalb dieser einzelnen Kulturen gelten, wir alle gehören zur "menschlichen Gesamtgesellschaft" und dieses Selbstverständnis eint uns.
Logisch, denn dieses anthropozentrische Weltbild, das den Menschen als Krone der Schöpfung, als Nonplusultra der Evolution "propagiert", geht mit einer Vielzahl an Vorteilen für die Mitglieder unser Menschen-Gesellschaft einher.
Von diesem Weltbild leiten sich viele unserer (unbewussten) Glaubenssätze ab und unser gesamtes, menschengemachtes System gründet sich darauf.
Der Haken an der Sache
Dieses Weltbild stammt nicht aus einer rationalen Auseinandersetzung, die eine neutrale Instanz unter sorgfältiger Prüfung von Für und Wider, unter Abwägung ethischer Aspekte und unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten durchgeführt hätte – nein, der Mensch war so nett, sich das selbst zuzugestehen. (Der geneigte Anhänger der einen oder anderen Religionen könnte sich an der Stelle berufen fühlen, Gott ins Spiel zu bringen, der doch genau diese Instanz darstellt und uns praktischerweise eben diese Absolution zur Herrschaft über alle anderen erteilt hat und uns damit die perfekte Berechtigung für unser Schalten und Walten geliefert hat … – nun, aus der Formulierung lässt sich meine Meinung dazu erahnen: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – und ich bin nunmal ein Schelm. Meine Gedanken zum Thema Religion findest du später noch an anderer Stelle (aber bleibt bitte erstmal hier;)
Der Mensch selbst hat sich also selbst zur höchsten Spezies auf Erden erklärt. Der Starke hat sich die Krone aufgesetzt und zum König gemacht – und er hat auch gleich die passenden Gesetze erlassen (die doch sehr großzügig in seinem Sinne gestaltet sind).
Der Mensch konnte all das tun, weil er der Mächtigste ist. Wer die Macht hat, macht die Regeln. Diesen haben sich dann auch die Schwachen zu unterwerfen, die Leidtragenden der Regeln des Mächtigen. Aber sie haben keine Macht und Möglichkeit, Einspruch einzulegen.
Der Mensch hat selbst verfügt, dass SEIN Wert über dem aller anderen Spezies liegt. Die Kriterien, die er zur Bewertung heranzieht, hat er natürlich auch gleich selbst ausgewählt.
So entsteht eine saubere, geschlossene Argumentationskette. „Checked!”
Der kleine Herrscher
Als kleiner Junge war es für mich selbstverständlich, dass ICH das alleinige Anrecht auf die Süßigkeiten habe – und nicht meine Schwester. Ich war der Stärkere und ich hatte sicher gute Gründe, warum mir die Sachen zustanden.
Das Leben in meiner Gesellschaft und der wachsende Widerstand einer Partei mit entgegengesetzten Interessen (meine Schwester) haben mich irgendwann gelehrt, dass mein egoistisches Verhalten nicht richtig ist.
Als Mensch, der wir nur in unserer eigenen Gesellschaft verbringen, in der die Schwächeren keinen Widerstand leisten können, gibt es keinen Anlass für uns, unser speziesistisches Verhalten zu hinterfragen.
Wir sind die Starken, uns gehören die Süßigkeiten.
„Ismen”
Wir verurteilen die Selbstsucht von anderen Individuen (Egoismus). Wir verurteilen die Selbstsucht von anderen kleineren Gruppen (Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Sexismus, Ableismus, etc.). Aber wir sind blind gegenüber der Selbstsucht unserer großen Gruppe (Art, Spezies) gegenüber Lebewesen einer anderen Gruppe (Speziesismus / Anthropismus).
Weil: siehe oben, im (egoistischen) Interesse jedes einzelnen Menschen ist es, diesen Ismus . Kein Tier konnte seither seine Stimme erheben und gegen die menschliche Dominanz aufbegehren. Daher existiert Speziesismus quasi seitdem der Mensch Tiere hält und gilt in unserer Wahrnehmung als Normalzustand.
Geprägtes Weltbild
Mit dieser Prägung des anthropozentrischen Weltbilds wachsen wir auf, so sind wir von Grund auf geprägt, seit Generationen. Es ist für eine nie in Frage gestellte Selbstverständlichkeit, ein Dogma in unserem Selbstverständnis – so dass es schon fast als Blasphemie gilt, wenn jemand sich anmaßt, dieses Weltbild in Frage zu stellen.
Schließlich profitieren alle Mitglieder unserer Menschen-Gesellschaft von diesem Bild. Es ist bequem – für uns.
Aber woran bemessen wir den 'Wert' eines Lebewesens? Objektiv, und ohne Prägung?